Zahngesundheit & Mundhygiene (Fachtag)

Am 20.03.2019 fand in Köln erstmalig ein „Fachtag für Zahngesundheit und Mundhygiene“ unter dem Titel „Mit Biss ins Alter statt. Die Veranstaltung ging auf eine Initiative der Seniorenvertretung zurück.

In seinem Grußwort gab Seniorenvertreter Dr. Herbert Mück einen Überblick über die zahlreichen Fragen und Möglichkeiten, die sich mit dem Thema „Zahn- und Mundgesundheit im Alter“ verbinden. Hier sind seine Ausführungen:

Grußwort von Dr. Dr. Herbert Mück, Seniorenvertreter der Stadt Köln

Ich werde dieses Jahr 68 Jahre alt und habe in einer Woche meinen nächsten Zahnprophylaxe Termin. Wer von Ihnen hat auch schon für dieses Jahr eine solchen Termin für sich fest vereinbart? Ich beginne mein Grußwort mit dieser Frage, weil ich nicht nur zu dem Thema rede, sondern es selbst lebe. Natürlich möchte ich Sie auch dazu einladen, es mir gleich zu tun. Jedenfalls freue ich mich sehr, Sie alle hier im Namen der Kölner Seniorenvertretung begrüßen zu dürfen. Anfang 2018 habe ich im Kölner Gesundheitsausschuss mündlich angefragt, wie sich die Stadt für Mundhygiene und Zahngesundheit ihrer älteren Einwohner einsetzt. Damals hätte ich nie gedacht, dass es bereits im selben Jahr einen ersten Anlauf zu einer Fachtagung genau zu diesem Thema geben würde. Dass es dann am 15. November 2018 doch noch nicht dazu kam, lag ausschließlich an höherer Gewalt und nicht an den Organisatoren. Somit konnte ich die Erfahrung machen, dass in Köln keineswegs alles endlos dauert. Und dies stimmt mich als Seniorenvertreter optimistisch und dankbar.

Hier sieht man Seniorenvertreter Dr. Herbert Mück bei seinem Grußwort auf der Veranstaltung mit Biss ins Alter
Seniorenvertreter Dr. Herbert Mück bei seinem Grußwort

Dass sich die Kölner Verwaltung aus städtischer Sicht durchaus für die Zahngesundheit und Mundhygiene schon seit längerem stark macht, spiegelt sich in Aktivitäten des Kölner Gesundheitsamtes wider. Dieses informierte z.B. auf den Aktionstagen „Gesund und mobil im Alter“ wiederholt mit einem eigenen Stand über Mundhygiene und Zahngesundheit, zuletzt vor einer Woche. Auch organisierte es den heutigen Fachtag. Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle Frau Anne Kreische und den Mitgliedern des Organisationsausschusses der AG „Gesundheit im Alter“ der Kommunalen Gesundheitskonferenz Köln. Auch das von der Stadt Köln herausgegebene Magazin KölnerLeben – es wendet sich vor allem an die ältere Generation – hat sich der Zahngesundheit im Alter bereits angenommen. Erwähnt sei der Anfang 2012 erschienene Bericht „Zahnarzt auf Rädern“. Unabhängig vom heutigen Fachtag plant die Redaktion auch für 2019 einen weiteren einschlägigen Beitrag.

Vielleicht werden Sie sich fragen, was mich zu der anfangs erwähnten Anfrage im Gesundheitsausschuss bewegt hat. Es waren vor allem Erfahrungen mit meiner eigenen (vor sieben Jahren verstorbenen) Mutter: In ihren letzten Lebensmonaten litt sie sehr darunter, dass ihre Zahnprothese nicht mehr richtig saß. Dies schmerzte sie massiv. Die Folge war, dass meine Mutter den Zahnersatz teilweise nicht mehr trug. Dies wiederum führte dazu, dass sie ihr Ernährungsverhalten veränderte. So kaute sie immer weniger. Außerdem wirkte sie ohne Prothese verfallener. Und nicht zuletzt war sie beim Sprechen immer schlechter zu verstehen. Irgendwann waren dann auch Transporte in eine Zahnpraxis nicht mehr möglich. Kurz vor ihrem Tod aufgrund von Herzproblemen fragte ich sie, ob ich jetzt einen Rettungswagen rufen soll, um sie ins Krankenhaus zu bringen oder ob sie in Kauf nehmen wolle zu sterben. Da sie keine Prothese mehr tragen konnte, war ihre vier- bis fünfmal wiederholte Antwort kaum verständlich. Sie wollte es nicht, was ich aber mehr erahnte als akustisch verstand.

Die Erfahrungen mit meiner Mutter haben mich gelehrt, wie bedeutsam Zähne und Zahnersatz für unsere Gesamtgesundheit, unser Selbstbild und unsere Kommunikation sind.

  • (1) Zähne ermöglichen es uns, gesunde Kost zu zermahlen und zu verzehren und uns so möglichst optimal zu ernähren. Wenn dies nicht mehr gelingt, kann es zu Mangelerscheinungen kommen bis hin zu körperlichem Verfall.
  • (2) Zähne erleichtern uns die Kommunikation. Ohne Zähne sind wir schwerer verständlich und werden eher missverstanden oder als „seltsam“ eingestuft.
  • (3) Zähne tragen zu unserem äußeren Erscheinungsbild bei und haben Einfluss darauf, wie andere Menschen uns wahrnehmen und bewerten. Das gilt auch für Mundgeruch.
  • (4) Fehlende oder verfärbte Zähne, Zahnfehlstellungen und schlechte Verständlichkeit können an unserem Selbstwertgefühl nagen.
  • (5) Bei Zahnlosigkeit kann eine verbesserte Verankerung von Totalprothesen durch ein Implantat auch soziale und intime Aspekte positiv beeinflussen, etwa Küssen und sexuelle Aktivitäten. Dies kann man in einer Studie nachlesen.

Auch unsere Umgangssprache zeigt, wie wichtig Zähne für unser soziales Zusammensein und unser Befinden sind. So gilt es mitunter, sich „durchzubeißen“ oder „jemandem auf den Zahn zu fühlen“. Manch einer wirkt wie ein „zahnloser Tiger“. Niemand von uns möchte „auf dem Zahnfleisch gehen“. Und an uns allen „nagt der Zahn der Zeit“.

Sehr beeindruckt haben mich Untersuchungen an Ratten: Danach scheint kräftiges Kauen die Hirndurchblutung zu fördern. So erholten sich nach einem künstlichen Schlaganfall die Gehirne der Tiere besser, wenn die Ratten härteres Futter zum Kauen erhielten. In einer Untersuchung an Mäusen, die nur Flüssignahrung bekamen (die sie also nicht kauen mussten), verschlechterte sich das Gedächtnis der Tiere. Auch bei Menschen, die keine Zähne mehr haben und daher nicht mehr kauen können, dürfte sich ein solcher „Bewegungsmangel“ ungünstig auf Gehirnfunktionen auszuwirken. Es ist also nicht auszuschließen, dass Zahn- und Mundgesundheit sogar das Eintreten und den Verlauf einer Demenz zumindest verlangsamen können.

Der heutige Fachtag setzt eine erfreuliche Entwicklung fort, nämlich eine offenbar zunehmende Beschäftigung mit dem Thema: So widmete sich vor fast genau sechs Monaten, am 15.September 2018, bereits der sog. Zahngesundheitstag ausdrücklich dem Thema „Gesund im Mund – bei Handicap und Pflegebedarf“. Da Handicaps und Pflegebedürftigkeit im Alter zunehmen, standen dabei Senioren besonders im Mittelpunkt. Ein weiteres wichtiges Datum war im vergangenen Jahr der 1. Juli. An diesem Tag traten neue Regelungen zur zahnmedizinischen Prävention in Kraft. Ihnen zufolge haben Pflegebedürftige, Menschen mit Behinderung und Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz nunmehr Anspruch auf zusätzliche Leistungen der zahnmedizinischen Prävention (siehe § 22a SGB 5). Sicher werden wir dazu heute das eine oder andere noch hören. Zu den weiteren erfreulichen Entdeckungen, die ich bei der Vorbereitung meines Grußwortes machen konnte, gehören ein relativ frisch erschienenes Fachbuch zum Thema „Zahn- und Mundgesundheit im Alter“ und die vom Zentrum für Qualität in der Pflege herausgegebenen Praxistipps für den Pflegealltag zur „Mundpflege“. Letztere können – bereits in der 3. Auflage – kostenlos bezogen werden. Sie stehen auch im Internet zum Abruf bereit. Das Gleiche gilt für das „Handbuch der Mundhygiene. Ein Ratgeber für Pflegepersonal und unterstützende Personen“. Dieses wurde von der Bundeszahnärztekammer erstellt. Erfreulich ist auch, dass es eine Gesellschaft für Alterszahnmedizin gibt, die sich für Zahn- und Mundgesundheit engagiert. Weniger erfreulich ist dagegen, dass das Gebiet Alterszahnmedizin offenbar bis heute nicht verbindlich im zahnärztlichen Studium verankert ist.

Blick ins Auditorium während des Vortrags von Dr. Dr. Anna Greta Garbe (Foto: Anne Kreische)

Die von mir angedeuteten Fortschritte bedeuten nicht, dass sie bei den Betroffenen bereits angekommen sind. Nach wie vor gilt, dass sich Erkrankungen und Probleme im Zahn- und Mundbereich mit zunehmendem Alter mehren. Zu den Ursachen hören wir sicherlich noch einiges. Ich erwähne nur zwei davon: 1. das nachlassende Sehvermögen, das Zahnveränderungen nicht mehr so gut wahrnehmen lässt, und 2. Beeinträchtigungen der Motorik, welche die Zahn- und Mundpflege, aber auch das Aufsuchen von Zahnarztpraxen erschweren. Während jüngere Menschen häufiger aus Vorsorgegründen den Zahnarzt aufsuchen, machen sich viele ältere erst auf den Weg, wenn Beschwerden auftreten. Dabei macht Vorsorge lebenslang Sinn. Leider kann der Begriff „ZAHNarzt“ vor allem zahnlose Menschen verleiten, diese Berufsgruppe nie mehr aufzusuchen, da es bei ihnen ja keine Zähne mehr zu behandeln gibt. Der Begriff Zahnarzt weist als solcher leider nicht ausreichend darauf hin, dass Zahnärzte Fachleute für die gesamte Mundgesundheit sind. Sie achten insbesondere auch auf Entzündungen, Tumore, die Speichelproduktion, Abszesse und die Kiefergelenkfunktion.

Wie schon angedeutet kann man sich nicht darauf verlassen, dass pflegedürftige Senioren in ausreichendem Maße aktiv zahnmedizinische Leistungen nachfragen. So gaben in einer saarländischen Studie (2014) nur 13 Prozent der pflegebedürftigen Senioren an, Probleme mit eigenen Zähnen zu haben. Dabei bestand bei 88 Prozent deutlicher Behandlungsbedarf wegen Karies. Ähnliches gilt für den Umgang mit Zahnprothesen.

Überraschend war und ist für mich, wie wenig die Literatur zur Alterszahnheilkunde auf die nachteiligen Wirkungen des Rauchens auf die Mundgesundheit eingeht. Hier besteht nämlich ein nachweislicher Zusammenhang und eröffnen sich Möglichkeiten der Prävention.

Abschließend erlaube ich mir noch eine ebenfalls nachdenklich stimmende Anmerkung. Ich beziehe mich auf die Mundgesundheitsstudie, die heute möglicherweise mehrfach zur Sprache kommen wird. Darin zeigen sich sozialmedizinisch bedeutsame Unterschiede. Hier nur ein Beispiel: Während in dieser Studie lediglich 3,8 Prozent der Senioren mit hohem Sozialstatus zahnlos waren, waren Senioren mit niedrigem Sozialstatus mit 16,4 Prozent mehr als viermal so oft von Zahnlosigkeit betroffen. Mangelnde Bildung scheint dabei auch eine Rolle zu spielen. Allein zahnmedizinisch pflegerische Initiativen werden solche Diskrepanzen nicht beheben können. Hier sind sozial- und bildungspolitische Maßnahmen geboten, was allerdings unseren heutigen Rahmen thematisch sprengen würde.

Zum Schluss meiner einleitenden Worte möchte ich in meiner Eigenschaft als Seniorenvertreter noch fünf Anregungen an die Kölner Politik und die Stadtgesellschaft richten. Aus zeitlichen Gründen kann ich diese allerdings nicht mehr begründen:

  1. Bitte nehmen sie in künftige Berichte der Stadt Köln zum Thema „Gesund altern in Köln“ im Kapitelt Mundgesundheit auch erste Daten zur Kölner Situation und nicht nur Verhaltensempfehlungen auf.
  2. Bitte prüfen Sie, ob es mit Unterstützung der Krankenkassen möglich ist, mobile Zahnbehandlungseinheiten anzuschaffen, die von Kölner Zahnärzten für Heim- und Hausbesuche ausgeliehen werden können. Vielleicht ist sogar die Anschaffung einer fahrenden Zahnarztpraxis möglich ist, wie bei der Hamburger Caritas.
  3. Bitte wirken Sie auf Kölner Zahnarztpraxen ein, noch barrierefreier zu werden, sich für Hausbesuche zu öffnen, und sich kontinuierlich in der Alterszahnheilkunde weiterzubilden.
  4. Bitte ermutigen Sie auch die Kölner Hausärzte, die meist einen besonders engen Kontakt zu den hier lebenden Senioren haben, auch auf Zahn- und Mundgesundheit von Senioren zu achten und diese gegebenenfalls zu Zahnarztbesuchen zu motivieren.
  5. Bitte überprüfen Sie, ob sich in den helfenden Berufen durch neue Ausbildungsmodelle der kompetente Umgang mit Mundgesundheit im Alter früh erlernen lässt. So gibt es zum Beispiel in Sachsen-Anhalt einen Modellversuch („AzuBiss“), bei dem in Ausbildung befindliche zahnärztliche Fachangestellte frühzeitig in Pflegeheimen Erfahrungen sammeln. Umgekehrt erhalten in Ausbildung befindliche Altenpfleger Schulungen in Mundhygiene.

Mit diesen einleitenden Anmerkungen hoffe ich, den Themenreichtum und das Potenzial der heutigen Veranstaltung ein wenig verdeutlicht und Sie alle schon neugierig gemacht zu haben. Ich wünsche uns allen einen anregenden und ergebnisreichen Verlauf.

Das Programm der Veranstaltung: